Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 28.07.2020 entschieden, dass ein Betriebsratsbeschluss bereits dann unwirksam ist, wenn ein „einfaches“ Betriebsratsmitglied zu der entsprechenden Betriebsratssitzung eingeladen hat. Denn zu einer Betriebsratssitzung dürfen grundsätzlich nur der Betriebsratsvorsitzende und im Falle seiner Verhinderung der stellvertretende Vorsitzende einladen.
In dem zugrundeliegenden Fall beabsichtigte die Arbeitgeberin Umgruppierungsmaßnahmen im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang. Der vollständig freigestellte Betriebsratsvorsitzende war zu dieser Zeit für mehrere Monate arbeitsunfähig krankgeschrieben. Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende befand sich für ein verlängertes Wochenende im Urlaub. Noch bevor die Arbeitgeberin den Betriebsrat um Zustimmung zu den geplanten Umgruppierungsmaßnahmen gemäß § 99 BetrVG ersuchte, lud ein „einfaches“ Betriebsratsmitglied die Betriebsrats- und Ersatzmitglieder zu einer Betriebsratssitzung ein. Auf dieser Betriebsratssitzung fasste das Gremium den Beschluss, die Zustimmung zu den geplanten Umgruppierungsmaßnahmen zu verweigern.
Die Arbeitgeberin hielt den Beschluss für unwirksam. Sie führte die Umgruppierungsmaßnahmen durch, ohne die gerichtliche Zustimmungsersetzung zu beantragen. Der Betriebsrat war der Ansicht, dass er die Zustimmung fristgerecht verweigert habe und die Arbeitgeberin daher ein Zustimmungsersetzungsverfahren hätte einleiten müssen.
Das BAG gab der Arbeitgeberin Recht. Es führte aus, dass es dahinstehen könne, ob die Verweigerung der Zustimmung durch den Betriebsrat infolgedessen unwirksam sei, weil der Betriebsrat den Beschluss vor Einleitung des Zustimmungsverfahrens nach § 99 Abs. 1 BetrVG durch die Arbeitgeberin gefasst hatte. Der Beschluss sei schon deshalb unwirksam, weil es an einer ordnungsgemäßen Einberufung der Betriebsratssitzung und Ladung nach § 29 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 BetrVG fehle. Denn eine ordnungsgemäße Sitzung setze nach diesen Normen voraus, dass der Vorsitzende - im Verhinderungsfall sein Stellvertreter - die Sitzung einberuft. Wenn jedes Mitglied zu einer Sitzung einladen könne, bestehe die Gefahr, dass eine strukturierte und zielorientierte Arbeit des Betriebsrats nicht mehr gewährleistet sei.
Bedeutung für die Praxis:
Diese Entscheidung zeigt einmal wieder, wie essentiell es bei der Betriebsratsarbeit ist, die strengen Formvorschriften jederzeit einzuhalten.
Das BAG hat in dieser Entscheidung offengelassen, ob der Betriebsrat unter bestimmten Voraussetzungen auch ein „Recht zum Selbstzusammentritt“ haben kann. Dies wird in der Literatur für den Fall diskutiert, dass der Betriebsratsvorsitzende und sein Stellvertreter gleichzeitig verhindert sind und der Selbstzusammentritt der Erledigung dringender und unaufschiebbarer Beratungsgegenstände dient. Die Hürden sind also auch gemäß den Literaturstimmen sehr hoch. Es bleibt daher bei dem Grundsatz, dass Betriebsratssitzungen nur durch den Betriebsratsvorsitzenden oder im Verhinderungsfall durch dessen Stellvertreter wirksam einberufen werden können.
Ratsam kann es zudem sein, für den Fall der Verhinderung von Vorsitzendem und Stellvertreter zu gleich, weitere Stellvertretungsregelungen im Rahmen der Geschäftsordnung zu treffen.
BAG, Beschluss vom 28.07.2020, Az. 1 ABR 5/19
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